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27.08.2021
Frauenfußball

„Potential, auf dem wir aufbauen können“

Sportdirektor Siegfried Dietrich spricht vor dem Saisonstart über seine Auszeit, die Vermarktung und Ziele der Frauen.

Herr Dietrich, Sie haben sich eine rund viermonatige gesundheitliche Auszeit genommen – wie geht es Ihnen danach und wie haben Sie in dieser Zeit die Adlerträgerinnen verfolgt?
Nach der gesundheitsbedingten konsequenten Auszeit geht es mir wieder richtig gut und ich bin sehr froh, seit Anfang Juli wieder ins Geschehen bei Eintracht Frankfurt eingetaucht zu sein. Mein Dank gilt der gesamten Eintracht und den Teams in allen Bereichen, die mir in der wichtigen Pause Brücken gebaut und mich so nachhaltig unterstützt haben! Nachdem die Fusion und Integration des FFC in die Eintracht-Familie nach intensiven Jahren in trockenen Tüchern war und zwei persönliche Ereignisse Anfang 2021 nochmals klare Signale für eine dringende Pause gesendet hatten, war es notwendig, auf diese zu hören. Vorstandssprecher Axel Hellmann, Cheftrainer Niko Arnautis sowie meine Kolleginnen und Kollegen haben mich bei dieser Entscheidung großartig unterstützt. Für mich war es wichtig, wirklich völlig abzuschalten und alles zu unternehmen, um mit den verschiedensten Maßnahmen wieder eine gesundheitliche Balance zu erlangen. Das Handy abzuschalten und nicht auf die vielfältigen Nachrichten zu reagieren, war für mich eine völlig neue Erfahrung! Aber auch wenn ich pausiert habe, habe ich aus dem Off natürlich die tolle Entwicklung unserer Mannschaft in der Rückrunde verfolgt und alle entscheidenden Dinge rund um die Eintracht in gedämpfter Atmosphäre mitbekommen. Ich habe aus der Ferne alle Spiele unseres Teams vor dem Bildschirm verfolgt und beim Pokalfinale von zu Hause aus die Daumen gedrückt. Ich konnte – wie auch der gesamte Verein – nach dieser Leistung kaum stolzer auf unsere Mannschaft sein. Unser Team hat gezeigt, was es heißt, leidenschaftlich Fußball zu spielen und über die Grenze hinauszugehen. Die Anspannung bis zum Gegentor kurz vor Ende der Verlängerung war alleine zu Hause sicherlich noch schwerer zu ertragen als gemeinsam im Stadion! 

Wie sieht Ihre persönliche Bilanz dieser ersten Saison unterm Adlerdach aus?
Unsere Premierensaison betrachte ich bei Berücksichtigung der für uns alle nicht ganz einfachen Zeit als durchaus gelungen – nicht zuletzt durch den angesprochenen klasse Auftritt unserer Mannschaft im DFB-Pokalfinale. Wir sind herzlich in der Adlerfamilie aufgenommen worden und konnten uns sehr schnell bestens integrieren. Zudem hat uns die großartige Aufnahme bei der Eintracht und das wertvolle Miteinander sehr geholfen, den vor Jahren eingeschlagenen sportlichen Weg auch in der neuen Heimat weiterzuführen. Die Mannschaft ist unglaublich gewachsen. Keine Frage: Wir haben großes Potential, auf dem wir aufbauen können.

Ich habe aus der Ferne alle Spiele unseres Teams vor dem Bildschirm verfolgt und beim Pokalfinale von zu Hause aus die Daumen gedrückt. Ich konnte – wie auch der gesamte Verein – nach dieser Leistung kaum stolzer auf unsere Mannschaft sein.

Sportdirektor Siegfried Dietrich

Wie sind die Erwartungen für die neue Saison und wie würden Sie die Ziele der Eintracht Frauen definieren?
Wir wollen uns weiter mit unseren Teamqualitäten festigen, mutigen, frischen Offensivfußball zeigen und uns gleichzeitig mit Punkten belohnen, die wir in der vergangenen Spielzeit teilweise liegengelassen haben. Wenn ich beispielsweise an das Hinspiel gegen den SC Sand denke: Dort hatte eine gute Performance am Ende leider nicht gereicht. Wenn wir wie zuletzt in der Rückserie konstanter auftreten und uns öfter belohnen, werden wir uns sicherlich den einen oder anderen Tabellenplatz nach oben arbeiten können! Auch im zweiten Jahr gilt es, auf allen Ebenen weiter zu wachsen. Gemeinsam mit unserem Vorstand haben wir dafür klare Vorstellungen, wie und in welchen Entwicklungsstufen wir uns dem Ligawettbewerb stellen. Dazu zählt neben wesentlichen Optimierungen in der Infrastruktur vor allem der Entwicklungsprozess unserer Mannschaft. Wir haben bereits einen großartigen und sehr talentierten Kader und setzen auch weiterhin auf Spielerinnen, die sich in den vergangenen Jahren bei uns richtig gut entwickelt haben. Sie bilden das Herzstück unserer Mannschaft. Natürlich gilt es, auch immer wieder Verstärkungen zu akquirieren, die uns langfristig besser machen. Wie die Vorbereitungen auf die neue Saison bestätigen, hat unsere Mannschaft trotz einiger verletzungsbedingter Ausfälle die bereits in der vergangenen Rückrunde gezeigten Qualitäten noch einmal optimieren können. Ich bin sicher, dass wir mit unserem sehr gut und ausgeglichen besetzten Kader auch in dieser Spielzeit unsere nächsten Schritte gehen! Immer mehr Spielerinnen sind zu Leistungsträgerinnen gereift. Sie sind die Garanten für die Umsetzung der Handschrift unseres Cheftrainers.

Welche Erwartungshaltung zu den Zielen hört man von den Spielerinnen?
Es ist schön zu erleben, wie sich unsere Spielerinnen selbst pushen und mit Selbstbewusstsein sowie einer hohen eigenen Erwartungshaltung auf die ersten Saisonspiele hinfiebern! Das da im Wettbewerb um Platz drei auch mittelfristig von einer Champions-League-Teilnahme geträumt wird, passt zum Wir-wollen-jedes-Spiel-gewinnen-Charakter. Um uns aber mit zu viel Druck nicht selbst im Wege zu stehen, geht es in erster Linie für die Verantwortlichen darum, dass wir uns weiterentwickeln und natürlich auch in der Tabelle nach oben orientieren. So sagen wir das auch unseren Mädels.

Ein wichtiger Baustein war jüngst die Vertragsverlängerung mit Cheftrainer Niko Arnautis um zwei weitere Jahre bis 2024. Was zeichnet ihn aus? 
Niko Arnautis ist der Baumeister unserer aktuellen Mannschaft und für die erfolgreiche Entwicklung einer ganzen Talentegeneration verantwortlich. Niko ist ein ein starker Motivator, der mit seinem Know-how, seiner Zielstrebigkeit, seinem unbedingten Siegeswillen und seiner menschlichen Art überzeugt und begeistert. Außerdem sieht er mit seiner langjährigen Erfahrung wie wir das große Ganze: Wir möchten uns durch unsere breitangelegten Förderungen in den U-Teams die Grundlagen für unseren Anspruch schaffen, auch in der Spitze erfolgreich zu sein!

Erstmals werden alle 132 Partien der Saison live gezeigt – was bedeutet das für die Wahrnehmung der Liga?
Für die FLYERALARM Frauen-Bundesliga ist es wirklich ein weiterer Meilenstein, dass jetzt mit Beginn der neuen Saison alle Bundesligaspiele in gut platzierten Zeitfenstern bei MagentaSport und jeweils ein Highlightspiel bei Eurosport live sowie in populären Sendungen wie der ARD-Sportschau in den Nachberichten gezeigt werden! Wenn dann auch noch die Produktionsqualität stimmt und die Übertragungen für wachsende Einschaltquoten gut promotet werden, haben wir die nächste Präsenzstufe in Sachen Ligaattraktivität, Sichtbarkeit und Wahrnehmung erreicht! Ein wichtiger Schritt, um uns mit top Argumenten als Liga und Vereine vermarkten zu können und uns weiter in der Spitzengruppe der europäischen Ligen zu positionieren. Genauso steht aus guten Gründen eine Ligaaufstockung auf mehr als zwölf Vereine auf der Agenda des Ausschusses Frauen-Bundesligen weit vorne. Eine regelmäßigere Präsenz und mehr professionell ausgerichtete Klubs wären eine gute Ergänzung auf der Ligavisitenkarte und ein wichtiger Schritt in eine noch bessere Zukunft. Pausen von drei, vier Wochen sind einfach in jeglicher Hinsicht kontraproduktiv und auch lähmend für den Aufbau einer größeren Fangemeinde, die ständig am Ball sein möchte.

Ist das im Jahr vor der EM 2022 in England ein Signal?
Ich bin sicher, dass der Profifrauenfußball in Europa gerade vor der EM in England in ein neues Zeitalter startet und insgesamt an Aufmerksamkeit und Wertschätzung gewinnt! Das heißt: Die Bedingungen und Strukturen in den Vereinen, die Männer- und Frauenfußball wie die Eintracht im Gesamtpaket anbieten, werden immer besser. Das Zuschauerinteresse rund um zukünftige Highlightspiele in großen Arenen wird wachsen und nicht zuletzt werden auch die Topspielerinnen, wie schon lange gefordert, angemessen mehr verdienen! Ein wachsender Wettbewerb, mit dem sich unsere Vereine sportlich und wirtschaftlich weiterentwickeln, mehr investieren, spannende Spiele Emotionen wecken, Gesichter für unseren Sport Identifikation schaffen, der Beruf Profifußballerin an Attraktivität gewinnt und damit das mediale Interesse auch neben dem Fußballplatz zu einem neuen Asset für unsere Branche wird!

Blicken wir auf das erste Heimspiel: Am Sonntag ist der SC Sand zu Gast im Stadion am Brentanobad – vor bis zu 1046 Zuschauern…
Freude kommt auf, wenn wir nun nach und nach auch unsere großartigen Fans wieder in das Live-Geschehen im Stadion teilhaben lassen können. Auf Einladung von Vorstandssprecher Axel Hellmann durften wir ja mit unserem Bundesligateam und unseren Mitarbeitern das tolle Wir sind-zurück-Gefühl beim Heimauftakt der Männer spüren und erleben! Wenn bei uns am Sonntag um 13 Uhr „Im Herzen von Europa“ erstmals wieder vor und von unseren Zuschauern gesungen wird, können auch die Adlerinnen und ihre Fans mit Gänsehaut in die Liga starten!