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20.06.2021
Frauen Profis

„Stolz, ein Teil von Eintracht Frankfurt zu sein“

Niko Arnautis spricht im Saisonabschlussinterview über das erste Jahr der Frauen nach der Fusion. Auch aus der Zeit mit der männlichen U17 hat der Coach einiges zu berichten.

Niko, wie zufrieden bist du mit der ersten Saison unter dem Adlerdach und der Entwicklung der Mannschaft?
Größtenteils glücklich und zufrieden, vor allem mit der Entwicklung in der Rückrunde. Wir haben schon im ersten Halbjahr gute Spiele abgeliefert, aber oft nicht das passende Ergebnis dazu rausgeholt. Mit unserer dominanten Spielweise hätten wir das eine oder andere Spiel mehr gewinnen müssen. Das hatten wir in der Mannschaft angesprochen und sind in der Rückrunde nach einigen Spielausfällen in einen Rhythmus gekommen. Insgesamt haben wir in unserem ersten Jahr viel erreicht. Mit dem Pokalfinale, aber auch damit, dass sich einige Mädels in der Nationalmannschaft etablieren konnten. Ich denke, dass wir insgesamt auf einem sehr, sehr guten Weg sind.

Die Kurve zeigt also nach oben?
Definitiv. Teilweise haben wir eindrucksvolle Leistungen wie im Pokalfinale gezeigt, alleine der Einzug war ein Ausrufezeichen. In der Liga stellen wir die jeweils viertbeste Offensive und Defensive. Unser Defensivverbund ist stärker als in der Vorsaison. Mit Merle im Tor haben wir 18 Gegentore weniger kassiert. Wir können mit unserer, aber auch der individuellen Entwicklung sehr zufrieden sein. Die Eintracht stellt vier deutsche Nationalspielerinnen, mit Camilla Küver haben wir ein ganz großes Talent ins Team integriert. Wir wollen auch im kommenden Jahr mutigen Offensivfußball präsentieren und aus unseren Fehlern in diesem Jahr gestärkt herausgehen. Die Pubertät ist vorbei, jetzt spielen wir Erwachsenenfußball!

Kann man diese Saison aufgrund der Unwägbarkeiten eigentlich sauber bewerten?
Das ist schwierig, aber alle Mannschaften haben die gleichen Ausgangssituationen. Wir müssen vorne effektiver werden und hinten raus die wenigen Situationen, die wir zulassen, besser klären. Natürlich wissen wir auch, dass die Zuschauer ohne Corona unser zwölfter Mann beziehungsweise unsere zwölfte Frau gewesen wären. Schon zu FFC-Zeiten war es traditionell so, dass wir gute und viele Zuschauer hatten. Ich glaube, dass die Eintracht-Fans uns da nochmal mehr unterstützen würden. Wir freuen uns unglaublich darauf, wenn Zuschauer im Stadion wieder erlaubt sind.

Es gab viel Kritik nach den Niederlagen, auch medial. Da wurde die Fusion fast schon in Frage gestellt, obwohl das eine nichts mit dem anderen zu tun hat. Ärgert dich das?
Das ist eine generelle Problematik in unserer Gesellschaft. Wenn man etwas aufbaut, wird das bei jedem kleinen Rückstand sofort kritisch beäugt. Wir sind sehr glücklich über die Fusion und haben klar angekündigt, dass wir uns in unserem ersten Jahr erst einmal die Möglichkeit geben müssen, uns zu entfalten. Die Kritik ist natürlich da gewesen. Aber wir haben gesagt, dass wir sehr ruhig bleiben, weil wir wissen, wo wir hinwollen. Wir wissen, dass wir noch einiges optimieren müssen. Aber dafür haben wir jetzt mit Eintracht Frankfurt optimale Bedingungen. Die Basis dafür haben wir mitgebracht und die Eintracht kann und wird uns für die Zukunft große Möglichkeiten geben, darauf freuen wir uns. Die Fusion ist ein riesiges Zeichen für den Fußball in Deutschland, sie dient als Vorreiter. Grundsätzlich wird immer wieder Kritik kommen, aber ich denke, das ist normal. Die Mannschaft hat darauf schon die richtige Reaktion gezeigt.

Es ist unheimlich wichtig, dass wir mehr mediale Präsenz generieren. Wir sollten aber nicht immer Männer mit den Frauen vergleichen.

Cheftrainer Niko Arnautis

Die etablierten Lizenzvereine setzen immer mehr auf Frauenfußball und damit ein Zeichen für Gleichberechtigung. Gerade aber auch die Öffentlichkeit sollte dieses Thema noch vermehrt angehen, besonders die Fernsehgelder spielen bei dem Thema natürlich eine wichtige und zentrale Rolle. Die Zuschauer müssen auch wieder ins Stadion kommen, sobald das wieder möglich ist, um das ganze Thema zu pushen. Siehst du das auch so oder denkst du, dass aus den Klubs heraus noch mehr gemacht werden muss, um den Frauenfußball zu etablieren?
Ich denke, das ist ein Zusammenspiel der Institutionen, die da beteiligt sind. Deutschland war über Jahrzehnte Vorreiter im Frauenfußball und hat viele WM- und EM-Titel geholt. Man sieht, dass die Konkurrenz aus dem Ausland aufgeholt hat. Wenn ich nach England blicke, wo die TV-Rechte mittlerweile über Sky und BBC ausgestrahlt werden und dadurch Millionen fließen, zeigt sich eine gewisse Richtung, in die es geht. Ich denke, dass wir in Deutschland durch die Struktur und Tradition im Fußball nachziehen werden und bin optimistisch, dass die Vereine und Verbände sehr gute Ideen entwickeln werden. Es ist unheimlich wichtig, dass wir mediale Präsenz generieren.

Was kann die Eintracht hier tun?
Wir haben bei Eintracht Frankfurt das Glück, einen Verein zu haben, der sehr vieles in diese Richtung unternimmt. Das macht sich bei uns bemerkbar. Wir werden angesprochen und erkannt. Ich denke, dass die Vereine in Deutschland sehr viel dazu beitragen werden, dass wir nach vorne kommen, genauso wie der DFB, vielleicht auch irgendwann im Zusammenspiel mit der DFL. Da sitzen sehr viele gute Experten, die gute Ideen entwickeln. Fußball in Deutschland ist nun mal Volkssport Nummer eins. Deshalb glaube ich, dass Deutschland stark daran interessiert ist, sowohl bei den Männern als auch bei den Frauen immer vorne dabei zu sein.

Trotzdem gibt es Gehaltsunterschiede zwischen Männern und Frauen. Das liegt doch auch an der Situation, dass bei den Männern viel mehr Geld im Umlauf ist. Du arbeitest selbst neben deinem Trainerjob als Lehrer und es gibt auch einige Spielerinnen, die zusätzlich zum Fußball berufstätig sind. Auf der anderen Seite ist es mit Sicherheit nicht so, dass du weniger arbeiten musst als ein Oliver Glasner beispielsweise. Wie weit ist die steigende Professionalisierung?
Für mich als Trainer ist der Aufwand mit Sicherheit ähnlich oder gleich hoch. Natürlich ist die mediale Wahrnehmung anders und du hast als Coach des Männerteams noch ein paar Termine mehr. Aber die Arbeit mit der Mannschaft und rund um die Mannschaft ist mit Sicherheit die gleiche. Ich finde aber, dort tut sich etwas. Ich bin Lehrer an der Carl-von-Weinberg-Schule in Frankfurt, konnte meine Arbeit dort aber auch reduzieren und mich sogar ganz freistellen lassen. Da zeigt die Entwicklung hin. Unsere Spielerinnen können davon leben, es gibt auch andere Vereine, die das sehr professionell betreiben. Ich bin mir sicher, dass dieser Weg noch nicht zu Ende ist. Man sollte deshalb nicht immer die Männer mit den Frauen vergleichen, weil ich weiß, dass die Männer einfach auch viel mehr Gelder einspielen. Logischerweise kann man dann auch ein bisschen mehr ausgeben. Ob die ganzen Millionen so sinnvoll sind, die immer bezahlt werden, ist ein anderes Thema.

Was kann der Frauenfußball allgemein tun, um sich besser zu positionieren?
Wir sollten schauen, dass wir durch mehr mediale Präsenz eigene Einnahmen haben. Am Beispiel England sieht man, dass dort dann auch mehr Geld zur Verfügung steht. Durch die Champions-League-Reform, die es zur kommenden Saison im Frauenfußball geben wird, wird auch mehr Geld für die Vereine zur Verfügung stehen. Ich habe gelesen, dass ein kleiner Teil des Geldes dann sogar an die Vereine geht, die nicht in der Champions League spielen. Ich glaube, die Entwicklung ist gut. Wir freuen uns, wenn es da noch weiter nach vorne geht und möchten unseren Teil dazu beitragen. Wir möchten attraktiv spielen. Das gelang uns insgesamt gut. Deshalb kann ich nur allen sagen: Sobald es wieder erlaubt ist, kommt ins Stadion, feuert die Mädels an! Es lohnt sich!

Du bist am 1. April 1980 in Frankfurt geboren, also ein richtiger Frankfurter mit Eintracht-Bezug und warst am Riederwald schon Trainer bei den Jungs. Man spürt auch die Leidenschaft. Was hast du gedacht, als du gehört hast, dass die Eintracht ihre Fühler ausstreckt Richtung FFC und du bald wieder Eintracht-Trainer werden kannst?
Ich habe mich riesig gefreut. Ich habe mir sehr gewünscht, dass das passiert und alle beteiligten Personen haben viel dafür getan. Deshalb bin ich überglücklich, dass die Fusion vorangetrieben und auch umgesetzt wurde. Für mich ist es einfach eine ganz herausragende Situation, als Trainer von Eintracht Frankfurt hier zu sein, weil die Eintracht schon immer mein Leben geprägt hat. Ich übe mein Amt wahnsinnig gerne und mit voller Leidenschaft aus!

Du hast mit Uwe Bindewald in der U17 zusammengearbeitet und dir auch in Dallas bei einem internationalen Jugendturnier ein Zimmer mit ihm geteilt. Wie war das?
Einfach nur lustig. Uwe ist eine herausragende Persönlichkeit, ein toller und herzensguter Mensch. Ich weiß ihn sehr zu schätzen und denke, das beruht auf Gegenseitigkeit. Wir vertrauen uns sehr und es hat mir riesige Freude gemacht, mit ihm zusammenzuarbeiten. Er ist einfach eine Ikone von Eintracht Frankfurt.

Niko Arnautis mit Aymen Barkok.

Zur U17 hat damals unter anderem Aymen Barkok gehört, der jetzt in der Bundesliga spielt. Wie verfolgst du seine Entwicklung?
Mit Aymen hatte ich immer mal wieder Kontakt und ich freue mich sehr für ihn, dass er sich so entwickelt hat. Ich erinnere mich noch, dass er sich bei uns in der Jugend das hintere Kreuzband gerissen hat. Das wurde dann konservativ behandelt und er kam sehr gut zurück. Er hat damals auf der rechten Bahn gespielt und wir hatten die Idee, ihn auch mal ins Zentrum zu stellen. Man sieht, dass er beide Positionen spielen kann. In seinem ersten Jahr bei den Profis hat er in Bremen gleich ein Tor gemacht. Aber es ist logisch, dass du als junger Spieler auch mal Phasen hast, in denen es nicht so gut läuft. In Düsseldorf hat er sich verletzt. Trotzdem hat man nach seiner Rückkehr gesehen, dass er nochmal einen Sprung gemacht hat und er wirklich tolle Spiele zeigt. Ich freue mich sehr für ihn, dass er in der Bundesliga angekommen ist und beobachte jedes Spiel sehr gerne, wenn er spielt. Er war schon in der Jugend ein außergewöhnlicher Spieler. Und er hat übrigens auch allen immer die Haare geschnitten, das ist sein Hobby. Er ist ein toller Typ und entwickelt sich auch neben dem Platz definitiv top.