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27.05.2022
Frauen Profis

Ein Feststück in fünf Akten

Der Traum im Sommer, große Siege, Teamgeist trotz Rückschlägen und ein furioses Finale – das war die Saison 2021/22 bei den Eintracht Frauen.

Sommervorbereitung 2021, Teamevent in der Festspielstadt Bad Hersfeld: Für die Eintracht Frauen geht es auf ungewohntes Terrain: Rein in die Kostüme, rauf auf die Bühne und schauspielerisches Talent beweisen. Niko Arnautis war es damals, der den Vergleich zog: „Jedes Fußballspiel ist wie ein Theaterstück“. Der Platz als Bühne, auf der Tribüne das Publikum. Neun Monate später ist das letzte Kapitel für die Saison geschrieben, das Stück perfekt: Ein Feststück in fünf Akten ist entstanden, angefangen mit einem Traum, endend mit einem Happy End.

1. Akt: Der Traum im Sommer

Torhüterin Merle Frohms ist bei der Pressekonferenz vor dem Saisonstart diejenige, die es als erste ausspricht: „Der Traum ist, beim Spiel um Platz drei mitmischen.“ Mit der Vorbereitung auf den Trainingsplätzen im Deutsche Bank Park und drei Neuzugängen – Variabilität im Sturm mit Nationalspielerin Nicole Anyomi, dem jungen Torhüterinnentalent Hannah Johann und Erfahrung durch Verteidigerin Siri Worm – sind auch von außen die Voraussetzungen gegeben. Die Motivation ist klar: Man möchte die nächsten Schritte gehen und nach dem Abschluss der vergangenen Saison auf dem sechsten Tabellenplatz näher an die Spitzenplätze heranrücken.

29. August, erster Spieltag: Bei der Rückkehr vor 1000 Fans nach rund anderthalb Jahren trifft Laura Freigang gegen den SC Sand in der 38. Minute zum 1:0, nach der Pause macht die Vize-Kapitänin ihren Doppelpack perfekt und legt so die Grundlage für den Auftaktsieg. Es folgen ein 1:0 über den SC Freiburg und ein 4:0 gegen den 1. FC Köln. Drei Spiele, neun Punkte, perfekter Saisonstart. Das Motto im Team: So kann es weitergehen!

Erster Spieltag, erster Heimsieg, erster Doppelpack von Laura Freigang.

2. Akt: Zeit für die großen Spiele

Zwar folgt mit einem 1:2 gegen die TSG Hoffenheim die erste Niederlage der Saison, durch die starke Leistung, gerade vor der Pause, gegen ein Topteam ist die Stimmung aber nicht getrübt. Der Sieg über Essen am darauffolgenden Spieltag unterstreicht den erfolgreichen Saisonauftakt, dann ist es Zeit für die ganz großen Spiele. Als Underdog empfangen die Frankfurterinnen der amtierende Deutschen Meister FC Bayern München im Stadion am Brentanobad, als Siegerinnen lassen sie ihn wieder fahren. 1720 Zuschauer erleben mit, wie die Münchnerinnen zunächst in der 83. Minute nach Führung der SGE das 2:1 erzielen, Freigang und Nüsken in der 89. und 90. Minute das Spiel aber erneut drehen. Ein furioser Sieg, der beweist: Die Eintracht kann nicht nur mit Spitzenmannschaften mithalten, sie kann sie auch schlagen. „Wir haben heute über 90 Minuten Eintracht Frankfurt verkörpert“, fasst Niko Arnautis zusammen.

Dass das DFB-Pokalaus im Viertelfinale gegen den Deutschen Meister kurz darauf folgt, ist zwar trotzdem traurig, nach einem harten Fight aber durchaus verkraftbar. Auch in Wolfsburg sind die Adlerträgerinnen ganz nah dran an Unentschieden oder sogar Sieg, erst ein Last-Minute-Treffer verhindert den Punktgewinn. „So ist Fußball“, resümiert Lara Prasnikar. „Wir machen weiter und können auf dieser Leistung aufbauen.“

Ein früher Höhepunkt in der Saison: Der Heimsieg über den FC Bayern München.

3. Akt: Ein Winter mit Rückschlägen und Mutmachern

Mit den sinkenden Temperaturen folgen in den Wintermonaten auch eisige Rückschläge. Der 6:0-Sieg über Jena wird durch einen Kreuzbandriss von Camilla Küver überschattet. Ende November folgt mit dem Schien- und Wadenbeinbruch von Virginia Kirchberger bei der österreichischen Nationalmannschaft die nächste Hiobsbotschaft. Für beide Stammspielerinnen ist die Saison frühzeitig beendet: Abgang von der Bühne, das Team muss kompensieren. Als bitterer Tiefpunkt folgt im regnerischen und tristen Bremen eine 0:1-Pleite zum Hinrundenabschluss. Mit der Leistung ist im Team niemand zufrieden. Die beste Hinrunde nach sechs Jahren mit 22 Punkten findet keinen gebührenden Abschluss. Ein kleiner Mutmacher ist der 2:0-Sieg über den SC Sand kurz vor der Winterpause. Dann heißt es erst einmal Vorhang zu, Pause, durchschnaufen.

…  beziehungsweise vorbereiten. Denn eine lange Pause gibt es nicht. Dafür den Auftritt zweier neuer Charaktere: Mit VfL-Verteidigerin Sara Doorsoun und Abwehrtalent Anna Aehling verstärkt sich das Team von Niko Arnautis doppelt, schlägt im Testspiel den VfL Wolfsburg und bindet mit zahlreichen Vertragsverlängerungen seine Leistungsträgerinnen langfristig an sich. Die Rückschläge haben das Team weiter zusammengeschweißt, der Kampfgeist ist ungebrochen: Wir wollen angreifen und haben alle Chancen!

Ein Kreuzbandriss von Camilla Küver überschattet den Sieg über Jena.

4. Akt: Wieder nah dran

Die unglückliche Auftaktniederlage im neuen Jahr gegen den SC Freiburg, bei der Sara Doorsoun in ihrem ersten Spiel direkt mit einer Roten Karte frühzeitig Feierabend hat, ist der finale Warnschuss, anschließend kämpfen sich die Adlerträgerinnen ihre Konstanz zurück. Nach dem Pflichtsieg über Köln folgt im Schlüsselduell ein 3:2 über den Mitkonkurrenten um Platz drei, die TSG Hoffenheim, bei dem durch ihren Flugkopfball zum Siegtreffer Anna „AIR-ling“ einen neuen Spitznamen erhält. Im Anschluss hält sich niemand mehr mit dem Träumen zurück, Platz drei, die Champions-League-Qualifikation, sind in aller Munde, die Chance bleibt trotz Niederlagen gegen München und Wolfsburg realistisch. Im spannenden Schlussspurt mischen drei Teams mit: Hoffenheim, Potsdam, Frankfurt.

„Jedes Spiel ist jetzt ein K.o.-Spiel“, fasst Sophia Kleinherne die Ausgangssituation im Endspurt zusammen. Passend dazu geben mit Géraldine Reuteler und Tanja Pawollek kurz hintereinander zwei zentrale Akteurinnen nach ihren Kreuzbandrissen ihr Comeback und stehen dem Team für die entscheidenden Spiele wieder zur Verfügung. Ein 4:0-Sieg über Jena und 2:1 gegen Leverkusen machen die Liga weiter spannend.

Traumdebüt für Anna Aehling, die den Siegtreffer gegen Hoffenheim erzielt.

5. Akt: Furioses Finale

Ein vorgezogenes Finale gibt es bereits am vorletzten Spieltag: Durch den Sieg der Turbinen über Hoffenheim hat sich der Kampf um Platz drei auf Frankfurt und Potsdam zugespitzt. Weil man das Drehbuch nicht besser hätte schreiben können, treffen genau die beiden Teams am 21. Spieltag aufeinander. Die Ausgangssituation: Potsdam hat die deutlich bessere Tordifferenz und drei Punkte Vorsprung vor dem Spiel, die Eintracht hunderte Auswärtsfans im Gepäck, mit Axel Hellmann und Markus Krösche reisen auch zwei Vorstandsmitglieder an. Die singen und feuern das Team nicht nur an, sondern können nach einem Traumtor von Verena Hanshaw zum 2:0-Endstand auch gemeinsam mit den Adlerträgerinnen feiern. Auch wenn noch nichts erreicht ist, trauen sich Mannschaft und Fans nach Abpfiff zum ersten Mal zu singen: „Europacup in diesem Jahr!“

Bevor das offiziell ist, ist am letzten Spieltag nochmal Konzentration im eigenen Aufeinandertreffen mit Bremen und Glück im Fernduell Potsdam – München gefragt. Beides haben die Frankfurterinnen: Vor einer Saison-Rekordkulisse von 4520 Zuschauern im Stadion am Brentanobad brechen nach der Niederlage der Turbinen in München und dem eigenen Sieg über Bremen alle Dämme. „Eintracht International“ heißt es auf den T-Shirts des Teams, „Oh wie ist das schön“, klingt es von den Rängen, Platz drei und die Champions-League-Qualifikation zeigt die Tabelle. Gebührend gefeiert wird all das gemeinsam in Sevilla beim Europa-League-Sieg der Männer. Eine Geschichte, fast zu schön um wahr zu sein, in jedem Fall aber ein historischer Doppelerfolg.

Der Traum wird wahr: Die Eintracht beendet die Saison auf Platz drei.

Abgang von der Bühne unter viel Applaus, der Vorhang senkt sich. Das Theaterstück hat sein Happy End gefunden, doch eine Fortsetzung ist bereits gewiss – dann auf noch größerer Bühne. Denn in der nächsten Saison heißt es: Eintracht Frankfurt international!