Fritzy und Julia, seit dem 1. Juli trainiert ihr die U20-Frauen der Eintracht, der Ligastart steht kurz bevor. Wie blickt ihr auf die Vorbereitung und eure Anfangszeit hier zurück?
Kromp: Es kommt uns tatsächlich viel länger als die sechs Wochen vor, die wir hier sind. Wir haben erst einmal alle Spielerinnen und den Staff kennengelernt, alle waren total euphorisch, als es losging. Entsprechend motiviert waren die Mädels auch und haben von Anfang an total gut mitgezogen. Wir haben ein sehr junges Team, die meisten aus den Jahrgängen 2005 bis 2007. Durch die Nationalmannschafts-Abstellungen und die Schul-WM hatten wir selten alle zusammen, trotzdem haben wir viele Inhalte anstoßen können. Die Mädels sind sehr wissbegierig, saugen alles auf, was wir ihnen vermitteln und versuchen, es auch im Spiel unter Wettkampfbedingungen zu zeigen.
Simic: Am ersten Tag haben wir gefühlt 60 Hände geschüttelt und bei weitem noch nicht alle Mitarbeitenden kennengelernt (lacht). Unsere ersten Eindrücke vom Verein waren aber durchweg positiv. Wir haben das Gefühl, dass man hier entschlossen ist, im Frauenfußball etwas zu bewegen. Im Laufe der Vorbereitung haben sich auch die Mädels untereinander immer besser kennengelernt. Jetzt merkt man, dass alle immer mehr auf einen Wissensstand kommen, egal, wo sie vorher gespielt haben oder ob sie die gesamte Vorbereitung mitmachen konnten.
Wie sehr hilft es Euch in eurer Arbeit, dass Ihr viele Spielerinnen noch aus den U-Nationalteams kennt und schon einmal trainiert habt?
Kromp: Das hilft uns natürlich sehr, aber auch der Mannschaft. Wenn du als Spielerin eine neue Trainerin bekommst, gibt es viele Fragen, die du dir stellst. Da haben die Mädels, die uns schon kannten, die anderen etwas vorwarnen können, was sie erwartet mit uns (lacht). Aber mal im Ernst: Wir hatten den Eindruck, sie haben sich auf uns gefreut, das macht die Arbeit natürlich umso leichter. Tatsächlich ist die Stimmung auch sehr ähnlich zu den U-Nationalmannschaften. Wir dürfen mit jungen und super motivierten Spielerinnen arbeiten.
Inwiefern unterscheidet sich die Arbeit hier im Verein im Vergleich zu Eurer Tätigkeit im Verband vorher?
Simic: Beim DFB hatten wir meist nicht viel Zeit mit den Spielerinnen, nach den Lehrgängen sind sie zurück in ihre Vereine, nach einem oder zwei Jahren sind sie in die nächsthöhere Altersklasse gekommen. An Schwerpunkten, Baustellen und Potenzialen konntest du nie so richtig intensiv arbeiten. Jetzt haben wir die Chance, die Mädels über einen längeren Zeitpunkt und Tag für Tag zu unterstützen und mit ihnen ihre nächsten Schritte zu gehen.
Kromp: Beim DFB bestand ein Großteil der Arbeit zudem darin, außerhalb der Lehrgänge Kontakt zu den Vereinen aufzunehmen und zu analysieren, wo man Strukturen verbessern kann. Da bist du aus der Ferne aber natürlich immer auf andere angewiesen. Jetzt hat man es selbst in der Hand, etwas aktiv zu verändern und mitzugestalten. Man kann sich nicht mehr zurücklehnen und sagen: „Die kriegen es nicht besser hin“, jetzt muss man selbst zeigen, dass man es hinbekommt. Aber genau das wollten wir und haben bislang sehr viel Spaß daran.
Ich kannte bislang eher den „klassischen“ deutschen, recht autoritären Führungsstil und habe dann eine Pia Sundhage gesehen, die ihre Spielerinnen mit Gitarre begrüßt hat
Fritzy Kromp
Ihr bringt durchaus unterschiedliche Erfahrungen mit. Fritzy, Du bist seit ungefähr 20 Jahren als Trainerin tätig, Julia, deine Profikarriere endete erst vor rund zwei Jahren. Wie würdet Ihr Eure Rollen als Trainerinnen beschreiben?
Kromp: Ich habe als Cheftrainerin oft mehr den Blick von außen auf das Spiel, Julia hingegen kann im Training selbst mitmachen, aktiv in der Form coachen und den Spielerinnen sehr viel selbst demonstrieren. Ich habe die Erfahrungswerte als Spielerin auf höherklassigem Niveau nicht und bin mittlerweile nach 20 Jahren eigentlich nur noch in der Trainerinnensicht. Bei Julia ist die aktive Karriere noch sehr präsent, dadurch ergänzen wir uns sehr gut
Simic: Mir hilft es total, mit den Spielerinnen auf dem Platz zu stehen, um selbst zu spüren, wie intensiv eine Einheit ist oder zu erkennen, dass der Rasen mal zu hoch ist und dadurch der Pass gar nicht perfekt kommen kann. Ich versuche immer, die Trainerin zu sein, die ich mir als Spielerin gewünscht habe. Bei Fritzy habe ich schnell gemerkt, dass mir ihre Art und Weise, mit Spielerinnen, aber auch Eltern und Staff umzugehen, aus der Seele spricht. Wir diskutieren häufig auch über inhaltliches, sind bei unseren Werten aber total auf einer Wellenlänge.
Kromp: Irgendein Trainer hat das mal ganz clever gesagt: Im Hinblick auf die Werte sollte man homogen aufgestellt sein, sonst diskutiert man zu kontrovers, in Bezug auf Erfahrungen, Kompetenzen und Stärken sollte ein Trainerteam aber heterogen sein. Wenn man als Cheftrainerin eine Kopie von sich selbst als Co-Trainerin hat, kommt man nicht weiter. So lernen wir beide voneinander.
Gibt es Trainer oder Trainerinnen, die Euch mit ihrem Führungsstil inspiriert haben?
Kromp: Ich war in den Anfängen meiner Trainerinnenlaufbahn, als ich Pia Sundhage kennenlernen durfte. Sie war damals mit dem US-amerikanischen Nationalteam für zehn Tage in Deutschland, ich wurde vom Verband für die Zeit abgestellt. Ich war total beeindruckt von ihrer Art, das Team zu führen, das war absolut neu für mich und hat mir aus der Seele gesprochen. Ich kannte bislang eher den „klassischen“ deutschen, recht autoritären Führungsstil und habe dann eine Pia Sundhage gesehen, die das komplette Gegenteil war, ihre Spielerinnen mit Gitarre begrüßt hat und bei deren Reden ich Gänsehaut hatte, weil sie so nahbar war. Ich war danach noch lange in Kontakt mit ihr und habe ihren Weg weiterverfolgt. Vom Führungsstil her ist sie definitiv ein Vorbild für mich.
Simic: Für mich war früh Fritzy eine Trainerin, bei der ich mir dachte: Cool, so kann man es auch machen. Als ich sie kennenlernte, war ich ja selbst noch Spielerin und gerade einmal 18 Jahre alt. Ich hatte aber auch als Spielerin in West Ham United mit Matt Beard einen Trainer, der total nah an der Mannschaft dran war. Er hat neben dem Fußballerischen auch immer darauf geachtet, dass es den Spielerinnen als Menschen gut geht. Das hat mir gezeigt, dass man nicht immer alles wissen und können muss in dieser Position, sondern, dass die Spielerinnen dich auch ernstnehmen, wenn du mal sagst: Sorry, mein Fehler, wie würdet ihr es machen, wie fühlt ihr euch wohler?
Grundsätzlich wird es darum gehen, das richtige Maß zu finden. Zu einer guten Ausbildung gehört es auch, Spiele zu gewinnen.
Julia Simic
Mit welchen Zielen geht Ihr in die Saison?
Kromp: In erster Linie steht die Ausbildung und Entwicklung der Spielerinnen im Vordergrund. Wir wollen von unseren Ausbildungs- und Spielprinzipien nicht abrücken und spielerische Lösungen finden. Wir haben einen hochtalentierten Kader, aus dem wir ganz klar Spielerinnen kurz- und längerfristig in den Bundesligakader bringen möchten. Aber man kann nicht nur ausbilden und Woche für Woche verlieren, dann passt die Stimmung auch nicht mehr. Man hat im vergangenen Jahr mit den drei U20-Teams als Absteiger gesehen, wie schwer es ist, den Spagat hinzubekommen.
Simic: Es wäre definitiv ein großer Erfolg, wenn in einem Jahr zwei, drei Spielerinnen hier sitzen und einen Profivertrag unterschreiben. Grundsätzlich wird es darum gehen, das richtige Maß zu finden. Wir haben nicht vorrangig das Ziel, am Wochenende die Spiele zu gewinnen, gleichzeitig wollen wir eine Mannschaft formen, die gut zusammenspielt, Spaß hat und motiviert ist. Zu einer guten Ausbildung gehört es auch, Spiele zu gewinnen, um den Glauben entwickeln zu können, auch mal Spiele in der letzten Minute drehen zu können. Dafür müssen wir unseren Spielerinnen Tools an die Hand geben, wie man Tore schießt und einen erfolgreichen Spielstil entwickelt.
Drei U20-Teams sind abgestiegen, mit dem HSV, Borussia Mönchengladbach und dem SV 67 Weinberg sind ambitionierte Teams aufgestiegen, aus der Bundesliga kommen Turbine Potsdam und der SV Meppen runter. Wie schätzt ihr die 2. Frauen-Bundesliga in der Saison 2023/24 ein?
Kromp: Ich bin wirklich gespannt, ich glaube, es wird einige Überraschungen geben. Wie ambitioniert und gut kommt zum Beispiel der HSV rein? Marschieren sie direkt durch? Auch in Gladbach, wo wir im März noch hospitiert haben, ist der Aufstieg der Startschuss für viele Investitionen. Genauso Potsdam: Werden sie durchgereicht oder gehen sie wieder hoch? Unterm Strich ist es vermutlich die beste und stärkste zweite Liga, die es bisher gab. Für uns herausfordernd als U20-Team wird, gegen die vielen Frauenteams zu bestehen. Mit Gütersloh, dem HSV und Weinberg haben wir gleich zu Beginn drei Kracher, da werden wir direkt sehen können, wo wir stehen.
Simic: Einige unserer Spielerinnen werden noch 15 sein, wenn sie ihre ersten Spiele bestreiten, das ist ein ziemlich großer Sprung zu den Spielerinnen manch anderer Teams. Da merkt man einfach einen riesigen Unterscheid, zum Beispiel in Sachen Körperlichkeit und Erfahrung. Aber das ist auch cool, weil die Mädels einerseits topmotiviert sind, und andererseits sehr viel lernen und sich abschauen können.
Euer erster Gegner ist am Sonntag um 14 Uhr auswärts der FSV Gütersloh. Was erwartet euch dort?
Kromp: Im Trainerteam und auch im Kader hat man in Gütersloh seit Jahren viel Kontinuität, daher weiß man, dass sie für guten Angriffsfußball stehen. Unser Team hat sich da in den vergangenen Jahren immer schwergetan. Im vergangenen Jahr sind sie nur knapp am Aufstieg gescheitert, auch diesmal könnten sie oben mitspielen. Es wird also direkt eine Hausnummer zu Beginn, trotzdem bin ich davon überzeugt, dass wir das Zeug haben, etwas aus Gütersloh mitzunehmen.