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27.12.2022
Frauen

„Das Eröffnungsspiel als absolutes Highlight“

Zum Jahresabschluss spricht Cheftrainer Niko Arnautis über Erfolge und Enttäuschungen im Jahr 2022, die Entwicklungen der Zuschauerzahlen und Professionalisierung sowie das Erbe von Siggi Dietrich.

Niko, hinter uns liegt ein ereignisreiches und intensives Jahr. Wenn du jetzt zurückdenkst, mit welchen Zielen und Erwartungen du in dieses Jahr gegangen bist: Wie zufrieden bist du?

Es war definitiv ein sehr intensives, aber auch erfolgreiches Jahr. Wir haben in der vergangenen Saison eine Monsterrückrunde gespielt, haben im Endspurt in den letzten vier Spielen vier Siege eingefahren und uns dann als Eintracht Frauen erstmalig für die Champions League qualifiziert. Im Sommer haben viele unserer Spielerinnen eine tolle EM gespielt, durch die ein riesiger Hype entstanden ist. Wir hatten ein herausragendes Ereignis mit dem Eröffnungsspiel gegen Bayern München vor einer Rekordkulisse und haben die Vorsaison aus der Hinrunde jetzt schon toppen können. Es macht mir einfach große Freude zu sehen, wie das Team reift und wächst.

Trotz der vielen Erfolge war es kein makelloses Jahr. Nach dem frühen Aus in der ersten Champions-League-Runde war auch im DFB-Pokal bereits im Achtelfinale Schluss. Was habt ihr aus diesen Enttäuschungen für kommende Aufgaben gelernt?

Ich glaube, man muss beide Spiele unterschiedlich betrachten. Durch die EM konnten wir vor dem Miniturnier in Dänemark weniger als eine Woche als Mannschaft gemeinsam trainieren und mussten direkt funktionieren. Im ersten Spiel gegen Gastgeber Fortuna Hjørring haben wir es super gemacht. Auch im Finale gegen Ajax Amsterdam waren wir über weite Strecken die klar bessere Mannschaft. Wir haben uns eine Unachtsamkeit in der Nachspielzeit geleistet, die mit einem Sensationstreffer per Fallrückzieher zusammenkam. Und dann war Schluss. Wir haben lernen müssen, dass man auf einem solchen Niveau seine Chancen unbedingt nutzen muss, weil der Gegner immer in der Lage ist, zurückzuschlagen. Das hat uns nach einer kurzen Enttäuschung, die wir alle erstmal verarbeiten mussten, sehr angespornt, wieder dahin zu kommen und es beim nächsten Mal besser zu machen. Beim Pokal-Aus in Leipzig waren wir einfach nicht richtig da, das muss man klar sagen. Wenn man nicht in jedem Spiel zu hundert Prozent fokussiert ist, kann es in die Hose gehen – diese Lehre haben wir mitgenommen.

Die Enttäuschung nach der Niederlage gegen Ajax Amsterdam ist zu Motivation für neue internationale Schritte geworden.

Nach der Reise nach Dänemark stand mit dem Saisoneröffnungsspiel im Deutsche Bank Park vor 23.200 Zuschauern direkt ein weiteres historisches Spiel an. Was hat euch dieser Auftakt bedeutet?

Das erste Saisonspiel gegen Bayern München war natürlich ein absolutes Highlight und für uns alle ein sehr besonderer Moment. Schon, als wir mit dem Bus zum Stadion gefahren sind, haben wir gesehen, wie viele Fans davor gewartet und uns gewinkt haben. Die Mannschaft hat ein tolles Spiel gemacht und war über die ganze Partie betrachtet sogar die bessere Mannschaft. Die Fans haben uns nach vorne gepeitscht. Dieses gegenseitige Zuspielen der Bälle ist einfach einmalig, macht riesige Freude und uns sehr stolz.

Auch in den restlichen Bundesligaspielen ist der Zuschauerschnitt in dieser Saison enorm gestiegen. Wie viel Freude bereitet es euch, vor so vielen Fans – egal ob auswärts oder zu Hause – zu spielen?

Es ist ein sehr schönes Gefühl, dass so viele Menschen hinter der Mannschaft stehen und uns von der ersten bis zur letzten Minute supporten – sei es auswärts oder zu Hause. Dafür nochmal ein ganz großes Dankeschön an alle Fans. Ich glaube, dass diese Symbiose zwischen Fans und Eintracht Frankfurt einmalig in Deutschland ist. Sowohl bei den Männern als auch bei den Frauen.

„Einmalig“: das Eröffnungsspiel gegen Bayern München im Deutsche Bank Park.

Inwiefern ist dieser Zuschauerzuwachs auch auf die EM in England zurückzuführen, bei der alle Zahlen in Bezug auf Zuschauer- und TV-Quoten in die Höhe geschnellt sind?

Die EM hat einen großen Teil dazu beigetragen, dass wir hier in Deutschland, aber auch in anderen Ländern Europas den Schwung mitnehmen konnten. Die EM hat gezeigt, dass sich der Frauenfußball brutal entwickelt hat, die Spiele sehr attraktiv sind und eine gewisse Nahbarkeit da ist. Die Fans haben genau das kennengelernt und nehmen es jetzt auch in der Liga wahr. Wir freuen uns natürlich darüber und wollen nun die nächsten Schritte gehen. Deshalb: Kommt in die Stadien, es macht Spaß!

An welchen Stellen merkt man den Einfluss der EM außerdem noch?

Die Sichtbarkeit und Wahrnehmung hat extrem zugenommen – nicht nur bei den deutschen Nationalspielerinnen. Selbst ich werde mittlerweile oftmals auf der Straße angesprochen. Es ist schön, zu sehen, dass sich so viele Menschen interessieren. Zuspruch und Interesse werden immer größer – das haben sich die Mädels verdient!

In der Rückrunde wollen wir den dritten Platz mit allem, was wir haben, verteidigen.

Niko Arnautis

Auch hier bei der Eintracht tut sich im Bereich Professionalisierung einiges. Seit Oktober trainiert ihr dauerhaft auf den Trainingsplätzen im Deutsche Bank Park. Wie wichtig war dieser Schritt für die Frauenfußballabteilung von Eintracht Frankfurt?

Der Schritt war enorm wichtig. Ich bin sicher, dass wir lange davon profitieren werden. Die Mannschaft hat es sehr dankend angenommen und sich unheimlich gefreut. Ein großes Dankeschön an den gesamten Verein und alle, die das möglich gemacht haben. Das ist auch ein Zeichen, wie sehr der Verein hinter dem Frauenfußball steht. Zu wissen, dass man so einen Verein im Rücken hat, macht einen sehr stolz.

Sportdirektor und Generalvollbemächtigter Siggi Dietrich musste sich im Oktober aus gesundheitlichen Gründen zurückziehen. Was war und ist seine Bedeutung für den Verein – ob 1. FFC Frankfurt oder Eintracht Frankfurt – aber auch für den Frauenfußball allgemein?

Siggi ist einfach ein Pionier im Frauenfußball. Er hat immer zur richtigen Zeit richtige Entscheidungen getroffen. Seine Titel, die er mit dem 1. FFC Frankfurt geholt hat, sprechen für sich. Er hat dann erkannt, dass der FFC als reiner Frauenfußballverein keine Zukunft mehr hat und mit den entsprechenden Vorstandsmitgliedern die Fusion angestrebt. Auch das ist ein Meilenstein gewesen und wie ein weiterer Titel in seiner Sammlung. Gerade in Frankfurt, aber auch in ganz Deutschland hat der Frauenfußball ihm sehr viel zu verdanken. Ich habe unheimlich gerne mit ihm zusammengearbeitet und es natürlich bedauert, dass er diesen Schritt gesundheitlich gehen musste. Wir wollen das, was er uns hinterlässt, in seinem Sinne weiterführen und erfolgreich den Frauenfußball leben.

Seit November teilen sich Niko Arnautis und Katharina Kiel als neue Technische Direktorin die Aufgaben von dem aus gesundheitlichen Gründen zurückgetretenen Siggi Dietrich.

Katharina Kiel ist als neue Technische Direktorin zu uns gestoßen und wird sich die Aufgaben von Siggi Dietrich mit dir teilen. Wie sieht diese Arbeitsteilung aus und wie stellt ihr Euch die Zukunft vor?

Ich habe die sportliche Leitung übernommen, Kathi kümmert sich um die gesamten Rahmenbedingungen. Auch wenn wir ein paar Schnittmengen haben, freue ich mich, dass sowohl sie als auch ich in den jeweiligen Bereichen seine oder ihre Qualitäten einbringen kann und wir so den riesigen Aufgabenbereich, den Siggi hinterlassen hat, hoffentlich so erfolgreich wie möglich gemeinsam stemmen können. Kathi bringt eine hohe Motivation und Einsatzbereitschaft mit und wird ihre Vorstellungen und Gedanken einbringen. Davon werden wir in Zukunft sehr profitieren. Bei all den Dingen, die auf uns zukommen, wird uns sicher nicht langweilig werden. Aber ich freue mich darauf, die Aufgaben gemeinsam anzugehen. 

Sportlich überwintert ihr auf Tabellenplatz drei, mit dem letzten Spiel der Hinrunde warten im neuen Jahr noch zwölf Saisonspiele. Welche Ziele setzt ihr euch für die Restsaison?

Wir haben im Sommer schon gesagt: Wenn du es einmal in die Champions League schaffst, willst du dort wieder hin. Wir wollen unsere Leistung aus der Vorsaison unbedingt bestätigen und wieder um die internationalen Plätze mitspielen. Nach der Winterpause haben wir noch unser letztes Hinrundenspiel gegen Meppen, das wollen wir natürlich erfolgreich gestalten, dann hätten wir die beste Hinrunde seit 2013/14 gespielt. In der Rückrunde wollen wir den dritten Platz mit allem, was wir haben, verteidigen.