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25.11.2020
Frauen II

Als Vorbild-Kämpferin durch die Verletzungszeit

Nach ihrem Kreuzbandriss arbeitet Emily Kraft aktuell für ihre Rückkehr auf den Platz – mit Kämpfermentalität, Optimismus und neuem Blickwinkel.

Auf die Frage, wie lange es noch bis zu ihrer Rückkehr auf den Platz dauere, muss Emily Kraft erstmal lachen. „Das frage ich meine Physiotherapeutin auch jede Woche“, verrät die 18-Jährige. Kein Wunder, denn nach fast vier Monaten Verletzungspause ist die Sehnsucht nach dem Fußball groß – zumal der zweite Kreuzbandriss in der Karriere der jungen Mittelfeldspielerin zu einem kaum ungünstigeren Zeitpunkt hätte kommen können. Mitten in der Vorbereitung, die die Abiturientin teilweise mit der ersten Mannschaft absolvieren durfte, zog sie sich einen Kreuzbandriss und Außenminiskusanriss zu. Statt Saisonstart hieß es Ende Juli plötzlich: OP und Reha. Seitdem arbeitet Kraft an ihrem Comeback ­– und das bislang mit Erfolg. Ärzte, Physios und Sportwissenschaftler seien mehr als zufrieden mit ihrer Entwicklung, bestätigt die Adlerträgerin, sodass sie aktuell schon wieder mit vollem Körpergewicht joggen und die ersten Sprünge machen könne. „Wenn es so weitergeht, hoffe ich, dass ich vielleicht im Januar oder Februar wieder mit der Mannschaft trainieren kann.“

Neue Sichtweise auf das Leben neben dem Platz 

Doch nicht nur der Ausblick auf das nächste Jahr hilft Emily Kraft durch die bald viermonatige Zwangspause. „Obwohl die Verletzung im ersten Moment natürlich ein Schock war, hatte ich keine wirkliche Downphase, sondern habe die Situation einfach angenommen“, beschreibt sie. Gelehrt habe sie das ihr erster Kreuzbandriss im März 2019, nach dem sie zwar rund zehn Monate auf ihr Comeback warten musste, aber gesehen hat: „Ich kann mich zurückkämpfen. Und wenn ich es damals geschafft habe, kann ich es jetzt wieder schaffen.“ Gleichzeitig hat die Deutsch-Irin durchaus Gefallen an dem aktuellen Leben neben dem Platz gefunden. Ein Leben, in dem der Fußball nicht 24/7 bestimmt. „Vor meiner Verletzung war ich fast nur unterwegs, sowohl mit der Nationalmannschaft als auch dem Verein. Da habe ich vieles im Privatleben verpasst“, sagt sie. Die Verletzung sieht sie deshalb auch als eine Chance, andere Bereiche des Lebens mehr schätzen zu lernen. „Ich konnte jetzt beim 80. Geburtstag meiner Oma dabei sein, den 85. Geburtstag meines Opas und die Goldene Hochzeit in Irland miterleben. Das waren so tolle Erfahrungen, die ich sonst nicht gehabt hätte.“

 

Wenn man für eine Nationalmannschaft spielt, muss man auch eine Verbindung zu dem Land haben und bereit sein, alles für seine Heimat zu geben.

Emily Kraft

Gute-Laune-Garantin und stolze irische A-Nationalspielerin 

So schnell wie möglich auf den Platz zurückkehren und ihren Mitspielerinnen helfen, will die Eintracht-Spielerin, die mit 13 Jahren zum 1.FFC Frankfurt wechselte, natürlich trotzdem. Die vermissen sie nicht nur wegen ihrer kämpferischen und spielerischen Qualitäten, sondern auch die gute Laune. „Ich rede gerne und viel und bin auch mal der Clown in der Mannschaft, der die Stimmung hebt“, gibt Kraft mit einem Lachen zu. Das liege einfach in ihrer Natur, auch abseits des Fußballs sorge sie gerne für gute Laune. „Stille kann ich nicht so gut. Im Auto drehe ich deshalb schon mal die Musik lauter und fange an zu singen, damit es lockerer wird“, berichtet sie. Immer mit dem Ziel, anderen ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern. 

Ein Lächeln auf ihr eigenes Gesicht bekommt Kraft übrigens, wenn sie an ihre bisherigen Einsätze bei der irischen Nationalmannschaft zurückdenkt, für die sie mit 16 Jahren debütierte und mit vollem Herzen dabei ist. „Wenn man für eine Nationalmannschaft spielt, muss man auch eine Verbindung zu dem Land haben und bereit sein, alles für seine Heimat zu geben“, findet sie. Für sie sei Irland, das Herkunftsland ihrer Mutter, schon immer Heimat gewesen, auch wenn sie in Deutschland lebe. „Ich verbringe jede Ferien in Irland, wo ein Großteil meiner Familie wohnt“, erzählt sie. „Und auch wenn ich mit der Nationalmannschaft in Irland spiele, fliege ich extra schon morgens hin, um meine Großeltern besuchen zu können.“ Einer von Krafts größten sportlichen Träumen ist deshalb auch die Teilnahme mit Irland bei einem großen Turnier. „Wir haben mega gute Spielerinnen und wollen der Welt zeigen, dass wir auch was draufhaben“, so Kraft. „Das würde mich nicht nur für mich selbst, sondern für das ganze Land freuen.“ 

Zukunft des Frauenfußballs mitgestalten 

Fußball ist für die Zweitligaspielerin deshalb auch nicht einfach nur ein Sport – sie möchte Zeichen setzen und Vorbild sein. „Ich will Menschen dazu bewegen, aus ihrer Komfortzone rauszukommen“, erklärt sie. „Man hört oft, dass Fußball ein Männersport ist, aber ich sehe das anders. Frauen können genauso gut spielen.“ Deshalb möchte sie auch selbst einen Teil dazu beitragen, den Frauenfußball in Zukunft weiter nach vorne zu tragen. Die Fusion des 1. FFC Frankfurt und der Eintracht sieht sie als „coole Sache“ und „tolle Möglichkeit“ auf diesem Weg: „Die Leute reden jetzt ganz anders von uns. Vorher dachten die Jungs immer, wir wären der FSV, jetzt sagen sie: Krass, ihr seid bei der Eintracht. Wir haben hier die Chance, da weiterzumachen, wo der FFC angefangen hat. Ich bin gespannt, wo es hingeht.“ 

Wohin es für sie persönlich in der Zukunft geht, dafür hat sich die Frankfurterin bewusst keine festen Pläne gemacht. „Ich wurde durch meine Verletzungen zwei Mal aus der Bahn geschossen, deshalb nehme ich jetzt jeden Tag, wie er kommt und schaue, wo ich lande“, erklärt sie. Das Ziel sei aber natürlich der Weg zurück ins Team und der Anschluss an die Erste Frauen-Bundesliga. Bis dahin wolle sie aber alles Schritt für Schritt angehen. Und der nächste Schritt heißt erstmal: Fit werden und zurück auf den Platz kämpfen.